Brandrodung schießt oft über das Ziel hinaus und zerstört Flächen, die gar nicht für den Anbau genutzt werden.
Foto: Chalmers University of Technology | Alexander C Lees

Der Verlust von tropischem Regenwald ist als Umweltthema in letzter Zeit von anderen akuten Problemen des Klimawandels aus der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt worden. Dabei sind die Ausmaße nach wie vor dramatisch: Der Verlust an Regenwald im Amazonas erreichte letztes Jahr den höchsten Wert seit 2008, etwa drei Fußballfelder werden pro Minute gerodet. Der Wald, der einst als grüne Lunge des Planeten bezeichnet wurde, wird dadurch von einer Kohlenstoffsenke, die CO2 aufnimmt, zu einem "Netto-Emittenten" und facht den Klimawandel sogar an, statt ihn zu entschärfen.

Das Problem ist nicht auf den Amazonas beschränkt. Bisherige Schätzungen für den globalen Verlust an tropischen Wäldern gingen von einer jährlichen Fläche von mehreren Millionen Hektar pro Jahr aus. Etwa 80 Prozent der Rodungen von tropischem Regenwald gingen dabei auf das Konto der Landwirtschaft, schätzten Fachleute.

Eine neue Studie, die im Fachjournal "Science" erschien, präzisiert nun die bisherigen Werte und zeigt auf, dass sogar 90 bis 99 Prozent der Rodungen für landwirtschaftliche Flächen durchgeführt werden. Insgesamt seien es zwischen 6,4 und 8,8 Millionen Hektar, die jährlich verlorengingen.

Oft muss der Wald Kuhweiden weichen.
Foto: Chalmers University of Technology | Toby Gardne

Flächen umsonst gerodet

Besonders überraschend kam aber die Entdeckung, dass nur ein Teil der gerodeten Flächen tatsächlich für landwirtschaftliche Produktion genutzt wird. Viele der Rodungen seien "für nichts", sagt Patrick Meyfroidt von der Université catholique de Louvain, einer der Studienautoren.

"Uns hat überrascht, dass nur ein vergleichsweise geringerer Anteil der gesamten Entwaldung – zwischen 45 und 65 Prozent – direkt zu einer Ausweitung der tatsächlichen landwirtschaftlichen Produktion auf den abgeholzten Flächen führt", sagt Florence Pendrill von der Chalmers University of Technology in Schweden, die Erstautorin der Studie. Das sei von großer Bedeutung für die Auswahl der richtigen Maßnahmen, um das Phänomen zu bekämpfen, betont die Forscherin.

Matthias Bauman von der Humboldt-Universität in Berlin versucht anhand des Beispiels von Gran Chaco in Südamerika Erklärungen zu finden. Er beschäftigt sich intensiv mit der Region, die ein globaler Hotspot für Entwaldung ist. "Im Chaco gehören dazu etwa Landspekulation, Bauern, denen das Geld ausgeht, oder präventive Entwaldung aus Angst, dass diese Praxis in Zukunft illegal wird", nennt Baumann als mögliche Gründe.

Nur wenige Rohstoffe verantwortlich

Wichtig sei die Erkenntnis, dass nur einige wenige Rohstoffe für einen Großteil der Entwaldung verantwortlich sind, schreiben die Forschenden in der Studie. Weit über die Hälfte der Rodungen passiere für Weideland, Soja und Palmöl. Gegenmaßnahmen könnten bei der Einfuhr dieser Produkte ansetzen.

Es brauche außerdem starke Maßnahmen, um ökologische Landwirtschaft wirtschaftlich interessant zu machen, fordern die Forschenden. Außerdem rufen sie zum Schließen von Wissenslücken um Entwaldung und die damit verbundenen Phänomene auf. Ein einheitliches Maß zur Bestimmung der Entwaldungstrends sei nötig, außerdem fehle es, abgesehen von Palmöl und Soja, an Daten über die auf den Flächen produzierten Rohstoffe.

In der Weltklimakonferenz von Glasgow wurden 2021 ehrgeizige Ziele zum Stopp der Entwaldung vereinbart. Die Politik sei in der Pflicht, diesen Zielen die nötige Priorität einzuräumen, fordert das Forschungsteam. (Reinhard Kleindl, 13.9.2022)